Agile Buzzwords: ist das wirklich alles so neu?
Im zehnten Teil zur Empirischen Geschäftsprozesssteuerung stellen wir die Begriffe der agilen Arbeitsweise bereits bekannten Methoden und Konzepten gegenüber. Unsere Kernthese lautet: das meiste, wovon derzeit zu lesen ist, ist keine echte Neuerung, sondern ist in ähnlicher Weise bereits im Einsatz. Agile, Scrum, Lean Management, Kanban, Kaizen, Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP), Shopfloor Manangement etc. beschreiben nach meiner Auffassung ähnliche Antworten und Konzepte auf ähnliche Fragestellungen. Neu ist hingegen der Kreis der Adressaten.
Stellt man sich eine Unternehmung als Gebäude vor, so befindet sich im Erdgeschoss die eigentliche Fertigung, die die Produkte und Dienstleistungen für die Kunden herstellt. In den Geschossen darüber befindet sich zunächst die produktionsnahe Verwaltung. Die Materialverwaltung, die Auftragsdisposition und die Produktionsleitung. Im darüberliegenden Stockwerk kommen die indirekten Bereiche wie Forschung, der Einkauf, die Fakturierung mitsamt der Buchhaltung und die Personalabteilung. Im Geschoss darüber findet sich der Vertrieb, das Marketing und die Rechtsabteilung. Und in den obersten Etagen befindet sich schließlich das Management.
Seit Toyota in den 1950er Jahren damit begann, die industrielle Produktion mit Kanban, Kaizen (Six-Sigma) und Lean Production zu revolutionieren, wandern diese neuen, effizienten Organisationsformen in dem „Gebäude“ Unternehmung sprichwörtlich immer weiter nach oben. Die zweite große Welle in den 1990er stellt dabei die Weiterentwicklung zum Lean Management dar, bei der zum ersten Mal indirekte Bereiche wie die Produktentwicklung einbezogen wurden. Und nun stehen wir vor der dritten großen Welle: der Agilen Transformation, meist im Zuge von Digitalisierungsstrategien. Hierbei wandern nun die „Lean“-Methoden und -Konzepte bis unter das Dach der Unternehmung und integrieren von der Forschung über das Marketing, die Strategieabteilung bis hin zum Top-Level-Management nahezu alle Unternehmensbereiche. Das Schlagwort lautet hier: crossfunktionale Teams.
Doch letztlich basiert das meiste auf bereits bekannten Methoden und Konzepten. Durch permanente Iteration, sprich fortlaufende, kleinteilige Verbesserungen, sollen Verschwendung minimiert und der Output gesteigert werden. Sprints in Verbindung mit Scrum-Meetings und klaren Verantwortlichkeiten ersetzen langwierige Abstimmungs- und Freigabeprozesse, regelmäßige Releases verhindern Verschwendung in Form von Produktentwicklungen, die keinen Erfolg am Markt haben und Storypoints, Sprint-Reviews, sowie „Objektive and Key Results“ (OKR) bilden die empirische Basis zur kontinuierlichen Erfolgsmessung.